Deep Talk Ep. 15: Mehr Balance im Alltag als leise Businessfrau und Mutter

Ein Gespräch mit Vereinbarkeits- und Work-Life-Coach Rebekka Balsam (https://rebekkabalsam-coaching.de/)

In dieser Ausgabe von »Deep Talk« spreche ich mit Rebekka Balsam. Sie ist Coach für Vereinbarkeit und Work-Life-Balance und erzählt Dir wie Du:

  • Deine eigenen Bedürfnisse erkennst und dafür einstehst, um Balance zwischen Beruf und Familienleben zu finden.

  • Verantwortung abgibst, Dich abgrenzt und realistische Erwartungen an Dich selbst stellst, um Überlastung und Burnout zu vermeiden.

  • durch den Austausch mit anderen Frauen und Netzwerken gegenseitige Unterstützung findest.

Christina: Hallo Rebekka, danke, dass Du heute bei uns bist. Du bist Vereinbarkeits- & Work-Life-Coach und systemische Familientherapeutin. Wie kann ich mir Deine Arbeit genau vorstellen?

Rebekka: (lacht) Ja, meine Arbeit ist tatsächlich sehr vielfältig. Zum einen arbeite ich mit Einzelklientinnen – aktuell ausschließlich Müttern –, die Beruf und Familienleben selbstbewusst gestalten und gut in Balance bringen wollen. Dafür wünschen sie sich Klarheit über ihre Ziele, konkrete Methoden, wie sie sich im Alltag anders verhalten können und das Selbstbewusstsein für die eigenen Bedürfnisse klar einzustehen.

Für Organisationen, wie z. B. die Caritas biete ich Workshops an zu Themen wie: „Power-Mama-Routinen in Alltag“ oder „Als Mama sich selbst priorisieren“. 

Für die Mitarbeiter:innen eines großen Konzerns führe ich aktuell mein „12-Wochen-Eltern-Coaching“ durch – mit vielen hilfreichen Themen, wie Selbstorganisation oder Aufteilung von Mental Load im Alltag, Nein-Sagen lernen und Umgang mit Perfektionismus. 

Und zuletzt bin ich außerdem für das INQUA Institut für Coaching als Karriere-Coach tätig und unterstütze hier Akademiker:innen bei der beruflichen Neuorientierung. 

Unterm Strich: mein Thema ist Empowerment und Self Leadership. Menschen in ihre Kraft zu bringen und mit den Tools auszustatten, den eigenen Weg selbstbestimmt und selbstbewusst zu gehen.

Das ist das, was ich liebe und was mich zutiefst erfüllt. Ein bunter und vielfältiger Blumenstrauß, der mir wirklich große Freude bereitet.

Christina: Sehr verschiedene Rollen also. Apropos Rollen, was sind denn die größten Herausforderungen, denen Du bei Frauen immer wieder begegnest, wenn sie ihre verschiedenen Rollen jonglieren müssen? Gibt es da Überschneidungen?

Rebekka: Ich erlebe es eigentlich in jedem Coaching, dass Frauen und die Mütter, mit denen ich arbeite, sich selbst mit ihren Bedürfnissen weit zurückstellen – gegenüber dem / der Partner:in, ihren Kindern, auch an der Arbeit mit Kolleg:innen.

Sie haben den Eindruck, ihre eigenen Dinge, ihre Bedürfnisse, ihre Meinung, sei weniger wichtig und halten sich stark damit zurück. 

Viele würden das beim ersten Lesen vielleicht nicht direkt unterschreiben. Wenn man allerdings genauer hinschaut, sind doch die Anfragen der Kolleg*innen, die Bedürfnisse der Kinder, die To-dos auf der endlos langen Liste wichtiger. Statt einfach mal einen Spaziergang zu machen, ein Buch zu lesen, rauszugehen und die Seele baumeln zu lassen, mit einer Freundin zu telefonieren.

Die To Dos und die anderen kommen im Alltag doch meist zuerst. Und dadurch bekommen die Frauen für sich und ihre Bedürfnisse selbst natürlich wenig Raum bzw. haben Schwierigkeiten, selbstbewusst für sich einzustehen. 

Und sie fühlen sich sehr schnell verantwortlich. Übernehmen Verantwortung auch da, wo sie gar nicht explizit gefragt wurden, oder geben Verantwortung nicht wirklich ab. Das baut weiteren Freiraum zu.

Zusammen führt das zu Erschöpfung, Frust und auch Wut. Und oft fehlen dann die Ideen, an welcher Stelle man jetzt überhaupt etwas ändern könnte und WIE. Häufig geht der Blick nach außen: Die anderen und die Umstände müssten sich ändern, dann wäre es leichter.

In meinem Coaching ist der Ansatzpunkt immer andersrum. Es geht um Selbst-Ermächtigung und Self Leadership und die Frage: Was kann ich selbst tun, um an der Situation etwas zu ändern? Und dafür liefere ich neue Perspektiven und konkrete Schritt-für-Schritt-Methoden. Und diese Ansatzpunkte für Veränderung bringen die Frauen in ihre Kraft. Nach den Sitzungen sind sie klar und motiviert und kommen zurück und berichten von ihren Erfolgen.

Christina: Im Bereich Vereinbarkeit wird oft vom “Mental Load” der Mütter gesprochen. Was ist das genau?

Rebekka: Mental Load bedeutet übersetzt „mentale Belastung“ und meint die Denk-Last der ständigen unsichtbaren Planungs- und Koordinierungsaufgaben, die im Alltag anfallen und die damit verbundene Verantwortung. 

Ganz konkret ist es das Karussell, was sich meistens in Mamas Kopf dreht und in dem sich aus einer Aufgabe immer drei neue ergeben, die kein anderer sieht: Was gibt es heute Abend zu essen? Haben wir dafür alles im Kühlschrank? Wer kauft wann die Lebensmittel ein und wer macht den Einkaufszettel? Dann könnte man ja auch gleich das Geburtstagsgeschenk besorgen. Wann war nochmal die Feier? Ach Mist, da ist doch auch der Arzttermin. Der muss dann verschoben werden … 

Und meist gehört auch dazu, dass Mütter einige Aufgaben dann zwar abgeben, sich aber weiterhin für die Erledigung verantwortlich fühlen. Das bedeutet, dass sie weiter dran denken, erinnern, nachhaken – und damit auch eine eigentlich abgegebene Aufgabe weiter in ihrem Kopf kreist. An dieser Stelle liegt natürlich ein großer Hebel, selbst etwas zu verändern.

Christina: Jetzt sind wir ja als Unternehmerinnen sowohl die Chefin als auch die Angestellte in einer Person. Welche Tipps im Alltag oder Routinen empfiehlst Du leisen Unternehmerinnen, um ihre Energie zu managen und sich vor Mental Load und Burnout zu schützen?

Rebekka: Dafür sind verschiedene Komponenten wichtig. Manche beziehen sich auf das Außen, z. B. Absprachen mit anderen, manche auf das Innen. Und meiner Meinung nach beginnt die gute Work-Life-Balance innen und daraus leiten sich dann Absprachen im Außen ab.

Beim Innen geht es meiner Meinung nach vor allem darum, sich nicht selbst zu belügen. So oft denken wir: Das passt schon, ich habe alles im Griff. Das ist jetzt anstrengend, aber danach wird es besser. Ich muss nur noch da durch und dann ….

Aber dann kann man schon aus der Balance geraten sein. Denn oft erlauben wir uns nicht ehrlich hinzuspüren. Dafür ist keine Zeit. Wir machen also weiter im Hamsterrad, obwohl wir merken, dass es etwas Anderes bräuchte.

Aber das bringt uns nicht weiter, sondern eher hin zur Überlastung und Frustration.

Sich vor Burnout zu schützen, hängt also eng damit zusammen, eine gute Verbindung zu sich zu aufzubauen und zu pflegen. Ganz ehrlich in sich hineinzuhören, auch das Schmerzhafte wahrzunehmen und zu fragen: wie geht es mir wirklich? Was brauche ich wirklich? Und das dann zu priorisieren und dafür einzustehen. 

Pausen zu nehmen, obwohl die To-do-Liste lang ist. Einen Gang runterzuschalten, obwohl man doch gerade richtig durchstarten wollte.

„Viel wollen, wenig(er) schaffen“, das ist das Spannungsfeld, in dem wir als selbständige Mütter oft stehen und das wir für uns ausbalancieren müssen, so dass es uns nicht ausbrennt.

Da ist es total wichtig, mit dieser Lebenssituation Frieden zu schließen und gute Prioritäten zu setzen, statt permanent dagegen anzukämpfen. Denn wir sind die einzigen, die wirklich wissen können, wie es uns geht und was wir brauchen und die dafür dann sorgen können. Das kann und wird niemand im Außen für uns tun und niemand kann dir die Energie zurückgeben, die es dich gekostet hat, x Mal zu oft ja gesagt zu haben. 

Was empfehle ich also?

  • Pflege eine gute Verbindung zu dir und sorge gut für dich, auch wenn die To-do-Liste lang ist. Was würde dir guttun? Mit was könntest Du anfangen? Vielleicht ein knackiger 15min Online-Sportkurs, ein kurzer Spaziergang, ein Telefonat mit einer Freundin? Was auch immer - tu es jetzt, tu es trotzdem!

  • Lerne nein zu sagen und dich abzugrenzen

  • Lerne, Verantwortung wirklich abzugeben

  • Überprüfe deine Ansprüche und reduziere Perfektionismus – lerne, bei 70 % zu springen

  • Übe dich darin, die Perspektive zu wechseln und den Blick auf das Positive zu wenden. Statt abends zu denken: Oh Mann, das alles hab ich heute mal wieder nicht geschafft, frage dich: Was habe ich heute alles geschafft? Was hat heute gut geklappt und welchen Anteil hatte ich daran?

Zusammen mit dem*r Partner*in:

  • Besprecht gemeinsam, was Ihr als Paar wollt

  • Macht z. B. den Mental Load Test und teilt Aufgaben und Verantwortlichkeiten fair auf (https://mental-load-test.org/at-home/)

  • Strukturiert eure Tage für euch selbst und die Familie so weit, wie es euch liegt und unterstützt

  • Baut euch euer Unterstützer-Dorf auf

  • Pflegt eine transparente Kommunikation mit Arbeit- oder Auftraggebern – das entlastet euch und schafft Klarheit auf beiden Seiten

Christina: Ein großes Thema ist das “Nein”-Sagen. Grenzen zu setzen. Das fällt gerade uns leiseren Menschen extrem schwer. Wie können wir das in unserem privaten Umfeld lernen, sodass uns nicht alles auf die Füße fällt?

Rebekka: Oh ja, das fällt vielen unglaublich schwer! Und das ist auch klar: wir sind soziale Wesen, wir sind angewiesen auf Kontakt, wir wollen dazugehören. Nein zu sagen, löst Angst aus, dann ausgeschlossen zu werden. Also sagen wir lieber nochmal ja.

Dazu kommt, dass Frauen noch eher dazu erzogen sind, dass Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft wichtige Werte sind, an denen man sich orientieren sollte. Nein sagen erscheint deswegen vielen auch als egoistisch.

Tatsächlich bedeutet es aber schlicht, ein Gleichgewicht im Alltag zu finden, in dem du auch mit deinen Bedürfnissen vorkommst, so wie alle anderen eben auch.

Hier meine konkreten Tipps, um das Nein-Sagen zu üben:

  1. Erbitte dir Bedenkzeit, um bewusst entscheiden zu können, ob du ja oder nein sagen willst und nicht aus deiner Gewohnheit zu reagieren.

  2. Bau dir deine Trainingssituation zum Üben. Frag dich dafür z. B.:

    • Wann hast du es schon mal geschafft, gut nein zu sagen?

      • Was hast du da anders gemacht oder wovon warst du innerlich überzeugt?

      • Was kannst du davon in andere Situationen übertragen?

    • Wer kann deiner Meinung nach richtig gut nein sagen – und was könntest du dir von dieser Person abgucken?

    • Wie findest du Personen, die nein sagen können? Lehnst du sie dafür ab und findest du das eher positiv?

    • In welchen Situationen fällt es dir eher leicht, nein zu sagen?

Und dann übst du das nein-Sagen in diesen eher leichten Situationen – und wirst darin dann auch Schritt für Schritt besser werden. 

In diesem Post habe ich weitere Gedanken zum Nein-Sagen aufgeschrieben: https://www.linkedin.com/posts/rebekka-balsam-vereinbarkeitscoaching_vereinbarkeit-neinsagen-abgrenzung-activity-7178657300759351296-hCj6?utm_source=share&utm_medium=member_desktop

Christina:  Oftmals fühlen sich Frauen, als wären sie allein mit ihren Herausforderungen. Wie kann ich mir ein unterstützendes Netzwerk aufbauen, das mich stärkt und ermutigt?

Rebekka: Ja, das ist auch so eine Sache bei uns Frauen. Immer fleißiges Bienchen, immer: „Bisher hab ich doch auch alles allein geschafft.“ Und auch das Gefühl: das geht bestimmt nur mir so.

Dabei ist das Gegenteil der Fall. Ob als Mütter oder Solopreneurinnen oder Mompreneurs – wir teilen dieselben Erfahrungen, Ängste, Sorgen und Freuden.

Und immer wieder erlebe ich in Workshops und Gruppencoachings, dass die Frauen sagen: Mit das Beste war der Austausch. Eigentlich weiß man es ja, aber wirklich die Geschichten der anderen zu hören, sich auszutauschen und zu merken: Wir sitzen wirklich alle in einem Boot. Das hat so gutgetan.

Und das ist sehr entlastend und verbindet! 

Also kann ich nur ermutigen: traut euch! Geht raus, zeigt euch, seid ihr selbst. Sucht euch dafür die Konstellationen, die zu euch passen – ein Online-Netzwerktreffen oder lieber eine Präsenzveranstaltung? Ein Vortrag zum Zuhören und sprechen in 2er oder 3er-Konstellationen im Anschluss, ein Workshop mit Austausch in der Gruppe oder ein Barcamp mit Zusammenarbeit in Kleingruppen?

Was wäre für dich die kleinste Schwelle, womit könntest du anfangen, um dann vielleicht auch Schritt für Schritt mutiger zu werden? 

Oft sind die ersten Schritte nicht leicht, aber es lohnt sich IMMER. Für das Teilen, die neuen Kontakte. Zu merken, dass andere an ganz ähnlichen Stellen stehen,dass andere auch hadern und Schwierigkeiten haben, zu sehen, wie offen und interessiert und oft auch hilfsbereit andere sind. Das gibt häufig einen richtigen Motivationsschub. Und: Menschen, mit denen man live oder digital schon mal gesprochen hat, sind auch zukünftig potenzielle Unterstützer*innen. 

Ein gutes Netzwerk ist Gold wert.

Christina: Was können die Leserinnen nach diesem Interview heute noch tun, um wieder in den Flow zu kommen?

Rebekka: Etwas für sich tun. Was die Stimmung hebt, was Laune macht oder Kraft gibt. 

Sich die Pause zum Innehalten zu nehmen und überlegen: wenn es nichts zu tun gäbe, ich keine Verpflichtungen oder Sorgen hätte – was würde ich dann jetzt tun? 

Und dann mindestens einen kleinen Schritt darauf zugehen! Es ist nämlich nicht so, dass die To-do-Liste schneller abgearbeitet wird, wenn man 24/7 unermüdlich dran bleibt. 

Es braucht beides, Aktivität und Pause, richtig schaffen und auch loslassen. Das ist die Balance, um die es geht. 

Welchen ersten kleinen Schritt kannst du heute dahin tun?

Christina: Na, jetzt haben wir etwas zum Nachdenken. Herzlichen Dank für die vielen Tipps und Ideen, Rebekka.

Welchen Tipp setzt Du als erstes um in Deinem Alltag? Erzähl es uns in den Kommentaren.


Willkommen auf meinem Blog

Ich bin Christina Jokilehto und begleite Dich weg von den üblichen lauten Marketing-Methoden. Hin zu einer Kommunikation, die Emotionen weckt und Vertrauen schafft.

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