Deep Talk Ep. 12: Schicksalsschlag im Business – als Unternehmerin mit persönlichen Herausforderungen umgehen

Ein Gespräch mit Coach & Trauerbegleiterin Laura Bauer (www.laura-coacht.de)

In dieser Ausgabe von »Deep Talk« spreche ich mit Laura Bauer, systemischer Coach & Trauerbegleiterin über den Umgang mit plötzlichen privaten Herausforderungen oder Schicksalsschlägen im Business.

Sie erklärt uns,

  • wie Du in schwierigen Situationen Prioritäten setzt, um Dich selbst zu schützen

  • wie Du Deine mentale Gesundheit während Herausforderungen oben hältst und

  • welche Rolle soziale Beziehungen und die Natur in der Bewältigung von tiefgreifenden Lebensveränderungen spielen.

Christina: Hallo Laura, schön, dass Du heute Zeit für uns hast, um ein wichtiges Thema zu besprechen. Du bist Coach & Trauerbegleiterin und siehst Dich als Wegbegleiterin in tiefgreifenden Veränderungsprozessen. In welchen Situationen kommen Klient*innen zu Dir?

Laura: Hallo Christina, vielen Dank für die Einladung. Ja, genau, ich verstehe mich als Wegbegleiterin und Mutmacherin in tiefen Veränderungen. Meine Klient*innen kommen zu mir, wenn sie in festgefahrenen Situationen stecken oder schwierige Entscheidungen treffen müssen. Das kann berufliche Neuorientierung, Selbstständigkeit oder persönliche Veränderungen umfassen. Oft geht es darum, nach einer Krise die Weichen neu zu stellen, damit das Leben einen neuen Sinn bekommt und sich gewisse Muster nicht wiederholen.

In Bezug auf Trauerarbeit ist es ein eigenständiger Prozess. Meine Klient*innen betrauern oft den Tod nahestehender Verwandter, wie den Eltern, Kindern und Geschwistern. Häufig geht es auch um den Verlust des Ehepartners.

Die Herausforderungen liegen hier in der Akzeptanz, in Identitätsfragen und in der Bewältigung des Alltags ohne die Verstorbenen. Gesundheitliche Aspekte spielen ebenfalls eine Rolle.

Christina: Das sind teilweise große, lebensverändernde Situationen. Wie bist Du dazu gekommen? Hast Du selbst Dinge erlebt, die Dich zu Deiner heutigen Rolle gebracht haben?

Laura: Ja, wenn Du das so sagst, fällt mir selbst erst einmal so richtig die Dimension und Größe der Themen auf, an denen ich mit meinen Kundinnen arbeite! 

Für mich fühlen sich die großen Fragen so natürlich an. Es ist für mich klar, dass ich an die Essenz, an den Kern der Menschen kommen möchte. Alles andere wäre mir zu oberflächlich, denn ich sehe jeden Menschen als Ganzes. Und in dieser gesamtheitlichen Betrachtung geht es immer um „the bigger picture“. Tatsächlich fällt mir deshalb auch der klassische Smalltalk schwer. Ich gehe gerne tief. Und das liegt mit großer Sicherheit an meiner Vergangenheit.

Ich habe in jungen Jahren sehr viel erlebt. Ich hatte eine behütete Kindheit, aber ich kenne auch toxische, destruktive Familienstrukturen. Meine Mama war seit meinem 14. Lebensjahr schwer depressiv, und ich habe sie im Alter von 28 Jahren durch Suizid verloren. Das waren für meinen Vater, meine Schwester, meine Oma und mich sehr harte, herausfordernde Jahre, vor und dann vor allem nach ihrem Tod. 

Christina: Wie bist Du damit umgegangen?  

Laura: Ich würde sagen, ihr Todestag markiert in meinem Leben einen Wendepunkt. Es ist wie ein Nullzeitpunkt, also eine neue Zeitrechnung, die ab da begann. Es gab nur noch ein „Vorher“ und ein „Nachher“. Und es stellte mein gesamtes Leben auf den Kopf: Beruflich wie privat.

Denn ich habe, so schmerzhaft und intensiv der Trauerprozess auch war, die krasseste Persönlichkeitsentwicklung erfahren. Diese Herausforderung anzunehmen, weiterzumachen, lebensbejahend zu bleiben und meinen Weg zu gehen, hat aus mir über die Jahre einen neuen Menschen gemacht.

Gefühlt habe ich mich einmal komplett auseinandergebaut und wieder anders zusammengebaut. Mit Therapie und dank dem geschützten Raum einer Selbsthilfegruppe für trauernde junge Erwachsene. Der Austausch mit Gleichgesinnten oder Gleichbetroffenen tat mir unheimlich gut. Ich fühlte mich sofort verstanden und nicht allein mit meinen Herausforderungen.

Geblieben sind mein damaliger Partner, heute mein Ehemann, meine beste Freundin sowie ein paar enge Freundschaften. Gehen mussten andere Freunde, Hobbys und diverse Jobs etc., weil sie einfach nicht mehr zu mir passten. Oder besser gesagt, ich nicht mehr zu ihnen.

Heute weiß ich, dass es ein Stück weit auch an meinem Verhalten lag. Da der Tod, vor allem aber Suizid, ein Tabu darstellt, habe ich mich durch Schweigen und Nichtreden selbst isoliert. Heute würde ich das ganz anders machen. Dennoch ist das Tabu immer noch spürbar, was es nicht ganz einfach macht, sich anderen damit zuzumuten.

Christina: Hat Dich das auch zu Deiner heutigen Tätigkeit gebracht?   

Laura: Ja, absolut, wenn auch eher zufällig. Ich denke, ich litt extrem unter dem Tabu. Und gleichzeitig entstand der Wunsch in mir, dies eines Tages aktiv zu verändern. Zu einer Enttabuisierung beizutragen, in dem ich meine Geschichte teile.

Dazu kamen ein wachsendes Interesse an Persönlichkeitsentwicklung und schließlich, wenige Jahre später, eine spontane Anmeldung für eine eineinhalbjährige Coachingausbildung. Ab da kam dann der Stein so richtig ins Rollen! Ich blühte auf, entdeckte meine Leidenschaft, investierte fast all mein Geld, meine Zeit und mein Herzblut und machte mich, inzwischen als junge Mama, als systemischer lösungsfokussierter Coach erfolgreich selbstständig. 

Was die Trauerbegleitung betrifft, so war es mir im vergangenen Jahr ein Herzensanliegen, etwas zurückzugeben. Ich habe damals von der Trauergruppe und ihren Angeboten so immens profitiert und gleichzeitig so viel Wissen und Erfahrung aufgebaut, dass ich diese nun gerne an andere Menschen weitergeben will.

Christina: In einer Krise gerät die Welt ja dann oft erstmal völlig aus den Fugen und das Business rückt wahrscheinlich an eine relativ niedrige Stelle. Was rätst Du Unternehmer*innen, die merken, ich schaffe das alles gerade nicht?

Laura: Weniger ist mehr. Das klingt absolut paradox, ich weiß. Aber es ist das Einzige, was hilft. Wenn ich schon im Krisen-Modus unterwegs bin, kann ich nicht überall noch eine Schippe drauflegen. Ich meine damit vor allem die „Nice-to-have“-Dinge, diese ganzen To Do’s, die wir aufgrund unseres eigenen Anspruchs und unseres Perfektionismus noch zusätzlich erfinden. Denn damit verlieren wir den Blick fürs Wesentliche und uns fehlt die Zeit für ausreichend Regeneration und unsere sozialen Kontakte.

Es hilft, sich dann mit anderen aus dem eigenen Netzwerk auszutauschen. Oft bringt der Blick einer außenstehenden Person etwas Ordnung in das Wirrwarr. Aber dafür muss man in allererster Linie überhaupt bereit sein, anzuerkennen, dass man es gerade nicht mehr schafft, um Hilfe annehmen zu können. Das kann für manche bedeuten, mehr Aufgaben zu delegieren oder Mitarbeiter einzustellen, vielleicht auch erstmal Freelancer oder Praktikanten. Auch hilft es, an manchen Stellen automatisierte Prozesse einzuführen, die viel Arbeit ersparen. Vielleicht braucht es aber auch eine externe Begleitung durch einen Coach, Berater oder Therapeuten.

Am Ende kann man nur aus einem vollen Tank schöpfen. Wie will ich Kunden bedienen und wo will ich Energie hernehmen, wenn mein Energietank komplett leer ist? Langfristig kann das nicht gut gehen. Selbstfürsorge ist dann das A und O.

Christina: Manchmal geht es nicht, eine Pause vom Business einzulegen. Wie können Unternehmer*innen in ihrem Alltag dafür sorgen, dass sie in schwierigen Situationen behutsam mit sich umgehen und (mental) gesund bleiben?

Laura: Ich würde vor allem dazu raten, Begriffe wie „schwierig“ zu tilgen und zu „reframen“, also zu sagen: Das ist eine herausfordernde Zeit – ich werde sie dennoch meistern. Als NLP’ler achte ich inzwischen sehr auf meine Wortwahl im Umgang mit mir selbst. In dem Moment, in dem ich eine Situation als „schwierig“ oder „stressig“ bezeichne, wenn auch nur gedanklich, bewertet mein Gehirn und somit mein gesamtes Nervensystem diese Situation als Gefahr. Die Folge ist eine permanente Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. 

Wenn mein Gehirn dies nicht so einstuft, reagiert es auch anders. Dagegen bedeutet eine „Herausforderung“ etwas, das sogar Spaß machen kann, an dem ich wachsen kann. Darin kann Potenzial stecken, wenn ich eine Herausforderung meistere. 

Es hilft, sich konkret folgende Fragen zu stellen: Was ist WIRKLICH wichtig? Welche Aktionen bringen mir WIRKLICH Umsatz? Was kann warten? Wir müssen nicht auf jeder Hochzeit tanzen, auf jeden Trend aufspringen, auf jedes Netzwerktreffen gehen und alles selbst erledigen.

Ein gesundes Maß hilft: Konzentration auf die wesentlichen Dinge „im Business“, dann die notwendigen Aufgaben „am Business“. 

Daneben ist und bleibt es wichtig, sein privates soziales Netzwerk, seine Freunde und Familie regelmäßig zu sehen und schöne gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen zu kreieren, von denen wir zehren können. Wir sind soziale Wesen und tanken unsere Energiespeicher sowohl im Kontakt mit anderen als auch in der Zeit mit uns alleine auf. Dies hilft uns, uns wieder zu erden, uns zu verbinden. 

Ich habe damals außerdem die Erfahrung gemacht, dass Menschen auch nur dann Rücksicht auf unsere Situation nehmen oder Anteilnahme zeigen können, wenn wir sie ins Vertrauen ziehen und einweihen. Je offener und ehrlicher wir mit unseren aktuellen Belastungen umgehen, desto eher können wir auch darauf hoffen, dass wir auf Menschlichkeit, Mitgefühl und im besten Falle auf Unterstützung treffen.

Christina: Gibt es etwas, das Du empfehlen kannst, um in akuten schwierigen Situationen wieder zu sich zu finden?

Laura: Ein Buch, das ich ganz besonders empfehlen kann, ist „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ von Eckhart Tolle. Er beschreibt auf so wunderbar eindrückliche und kluge Weise, wie es uns Stück für Stück gelingen kann, mehr im Hier und Jetzt zu sein, statt in der Vergangenheit oder Zukunft zu leben.

Wenn es turbulent zugeht, finde ich die Wechselatmung besonders hilfreich, um wieder anzukommen. Bei unangenehmen Situationen oder starkem Stress hilft es auch, sich diesen (wie es Tiere auch intuitiv tun) richtig „abzuschütteln“ oder aber den Körper durch Tanzen und Singen zu aktivieren. All das reguliert das Nervensystem enorm. Weitere Möglichkeiten sind Meditation, Yoga, Achtsamkeitsübungen wie Bodyscan oder autogenes Training.

Es gibt natürlich Situationen im Leben, da hilft auch kein Reframing oder Meditieren mehr weiter. Schwere Trauerfälle und Verluste, ob Partner, Familienangehörige oder Jobverlust, bedeuten gravierende Einschnitte in unser Leben. Das kann ich nicht einfach „weg-coachen“ oder mir schönreden. Trauer braucht Zeit – und zwar Zeit für echte, tiefe Trauerarbeit.

Und ob Krise, Burnout oder Trauer: Einen Gang runterschalten und einen bewusst langsamen Spaziergang in der Natur zu unternehmen bewirken wahre Wunder. In der Natur tanken wir auf, begreifen uns wieder als Teil eines großen Ganzen und sind dadurch ganz automatisch mehr im Hier und Jetzt. Eine bessere Achtsamkeitsübung gibt es kaum!

Christina: Laura, ich danke Dir für Deine Offenheit und das wertvolle Gespräch.

 

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